Jüdisches Schrifttum

  1. Geschichte
  2. Schriftgelehrte
    1. Herkunft
    2. Ausbildung
    3. Aufgaben
    4. Geschichte berühmter Schriftgelehrter
  3. Die heilige Schrift
    1. Thora
    2. Die Nebiim
    3. Die Ketubim
    4. Wie wird ein Buch heilig?
    5. Die Auslegung der Schrift
  4. Die mündlichen Unterweisungen
    1. Die mündliche Thora
    2. Halaka und Haggada
    3. Die Mischna
    4. Tosephta
    5. Talmud
  5. Abschluss

 

  1. Geschichte
    Das jüdische Schrifttum hat seinen Ursprung in Esra, denn eigentlich war es Aufgabe der Priester das Gotteswort mitzuteilen und zu lehren. Esra legte das Judentum, mit Billigung des persischen Großkönigs, auf das Gesetz fest. Die spätere Tradition leitete von ihm und den Männern der großen Synagoge, die Esra gegründet haben soll, die ununterbrochene Reihe der Schriftgelehrten. Angaben über einzelne Schriftgelehrte sind aber erst aus dem zweiten vor- christlichen Jahrhundert überliefert. Aus der Zeit Jesu und denn ersten Christen ist eine ganze Reihe von Schriftgelehrten bekannt

  2. Schriftgelehrte

    1. Herkunft
      Die Ausbildung eines Standes an Schriftgelehrten führt man auf die Auseinandersetzung mit dem Hellenismus zurück. Man musste sich gegen den starken Einfluss des griechischen Geistes verteidigen, die alte Priesterlehre konnte dafür nicht genügen. Man bediente sich aber der Methoden und des geistlichen Rüstzeugs der Griechen um die Schrift zu studieren und sachgerecht auszulegen, sie lernten auch das Schulgespräch der Griechen kennen, indem die Antwort durch Fragen und Gegenfragen gewonnen wird. Von den Griechen übernahmen sie dann auch das aufzählen ehrwürdiger Namen die sich an Esra angeschlossen haben sollen. Doch Eingang in den Kreis der Schriftgelehrten fand man nicht mit der Geburt oder Herkunft sondern allein durch Können und Wissen. Es gab unter ihnen natürlich einige Priester und Glieder vornehmer Familien, aber auch Handwerker oder Kaufleute. Die Gelehrten mussten nebenbei noch ganz normal arbeiten um sich selbst versorgen zu können, wie Paulus der als Zeltmacher arbeitete um von seinen Gemeinden unabhängig zu sein.

    2. Ausbildung
      Wer ein Schriftgelehrter werden wollte musste lange und gründlich studieren. Die Schüler hatten an den Schulen Aufnahmeprüfungen zu bestehen die von dem Lehrer durchgeführt wurde. Wenn der Schüler bestanden hatte trat er in die Lebensgemeinschaft mit dem Lehrer ein und begleitete ihn auf seinen Wegen, hörte wie er Probleme löste und fragte den Lehrer um von ihm zu lernen. Der Schüler musste den überlieferten Stoff lernen, da das Studium hauptsächlich aus dem Einprägen und Wiederholen dessen besteht, was der Lehrer vorträgt. Im Schulgespräch stellt der Schüler eine Frage worauf der Lehrer mit Rückfragen den Schüler zu Nachdenken bringt und ihn so die Antwort selber finden lässt. Jesu Verhältnis zu seinen Jüngern unterschied sich bloß dadurch das Jesus sich seine Schüler selbst ausgesucht hat und sie nicht von allein zu ihm kamen. Hat der Schüler sein Studium erfolgreich beendet so wurde er von seinem Lehrer zum Gelehrten erklärt, indem er ihm die Hände auflegte. Dadurch wurde er als Glied in die Traditionskette eingefügt. Und konnte jetzt als Lehrer selbst Fragen beantworten und Recht sprechen.

    3. Aufgaben
      Weil das Gesetz Gottes alle bereiche des Lebens bestimmt, hatten die Schriftgelehrten nicht nur theologische sondern auch richterliche Befugnisse. Sie entschieden über das Arbeitsverbot am Sabbat, wie eine Ehe abzuschließen ist oder eine Acker gekauft wird. Mit diesen Aufgaben war auch das Ansehen im Volk entsprechend groß. Es wird aber auch erzählt das ein Schriftgelehrter eine Gemeinde zur Zeit des Purimfestes besucht hat, an diesem Fest wird normalerweise die Estherrolle vorgelesen. Das Problem war das die Gemeinde keine Estherrolle hatte, also setzte sich der Schriftgelehrte hin und schrieb das Buch Esther aus dem Gedächtnis nieder und lass die Rolle vor. Solches Können fand beim Volk Anerkennung und Bewunderung

    4. Geschichte berühmter Schriftgelehrter
      Zur Zeit Jesu waren Hillel und Schammai die beiden hervorragenden Schulhäupter unter den Schriftgelehrten. Hillel war aus der babylonischen Diaspora nach Israel und hatte als armer Tagelöhner Geld verdient um studieren zu können. Als Lehrer stand er in intensiver Auseinandersetzung mit Schammai, dabei fielen die von Hillel getroffenen Entscheidungen in der Regel milder aus als bei Schammai. Hillel gelang es auch eine Regelung für Gläubiger im Sabbatjahr zu finden. Da in diesem Jahr alle Schulden erloschen, war es einige Zeit davor unmöglich jemanden zu finden der Geld verlieh. Hillel meinte dann der Gläubiger könnte den Richtern seines Ortes schriftlich erklären das er sein Darlehen den Verordnungen des Sabbatjahres entziehe. Aus der Schule Hillels ging Rabbi Gamaliel hervor der im Synedrium hohes Ansehen genoss, und nach Apg. 22,3 der Lehrer von Paulus gewesen sein soll. Der Wiederaufbau der jüdischen Gemeinden wurde hauptsächlich von Jochanan b. Zakkai gestaltet, er war der Überlieferung nach ein sehr frommer Mann und wurde bei der Belagerung Jerusalems von seinen Schülern aus der Stadt gebracht, und gründete 50 km westlich von Jerusalem eine neue Schule. Von hier aus wurde die Lehre des Gesetzes in die Gemeinden getragen. Und es entstand auch ein neues Synedrium. Zu Anfang des zweiten Jahrhunderts war Aqiba der bedeutendste Lehrer. Als Bar Kochba einen Aufstand gegen die Römer begann, dachte Aqiba das er der verheißene Messias sei. Nach dem Scheitern des Aufstands wurde Aqiba mit vielen anderen Schriftgelehrten hingerichtet, doch die Schulen und das Judentum überstanden diese Katastrophe. Nach der verlustreichen Bar Kochba Zeit sammelte man den Überlieferungsstoff, ordnete ihn und fasste ihn zusammen. Gegen Ende des zweiten Jahrhunderts kam man zum Abschluss und es stand die Auslegung des Gesetzes fest, deren Bestimmungen für das Leben in der Gemeinde normative Bedeutung gewann.

  3. Die heilige Schrift
    Die endgültige Abgrenzung des Kanon erfolgte zwar erst ca. 100 n. Chr. Das neue Testament bezeugt aber das schon zur Zeit Jesu der Kreis der kanonischen Bücher faktisch geschlossen war denn man zitierte aus allen Teilen des Alten Testaments.

    1. Thora
      Die fünf Bücher Mose wurden spätestens im vierten Jahrhundert vor Christus zum Abschluss gebracht. Sie genießen im Judentum unumstößliche Autorität und gelten, nach Meinung der Schriftgelehrten, als präexistent, waren also schon vor der Erschaffung der Welt bei Gott vorhanden. Alle anderen Bücher erhalten ihre Autorität nur von der Thora her, da sie mit ihr übereinstimmen. Die anderen Bücher sind mittels göttlicher Inspiration vom Menschen niedergeschrieben, die Thora allerdings lag schon im Himmel fertig vor.

    2. Die Nebiim
      Die prophetischen Bücher werden nach den Vorderen und Hinteren Propheten unterschieden, zu den vorderen gehören die Geschichtsbücher Josua, Richter, Zwei Bücher Samuels und zwei Königsbücher. Die Hinteren Propheten bestehen aus den drei großen Propheten Jesaja, Jeremia und Ezechiel sowie aus den zwölf kleinen Propheten. Der Kreis der prophetischen Bücher war im zweiten Jahrhundert v. Chr. Geschlossen.

    3. Die Ketubim
      Das Danielbuch entstand zu spät und konnte daher nicht mehr in die Reihe der prophetischen Bücher aufgenommen werden, es wurde daher mit den Büchern Esra, Nehemia, Chronik und den restlichen Büchern des „alten Testamentes“ an den Schluss des Kanons gestellt.

    4. Wie wird ein Buch heilig?
      Als heilige Schriften sollten die Bücher gelten „die die Hände verunreinigten“ das heißt das derjenige der die Bücher berühren will eine rituelle Waschung der Hände vornehmen muss. Aufgrund ihrer Heiligkeit wird den Rollen besondere Aufmerksamkeit zuteil. Wenn eine Rolle abgenutzt ist, und nicht mehr gebraucht werden kann wird sie an einem besonderen Platz verborgen und später mit anderen Rollen sorgfältig vergraben. Die Frage welchen Büchern die Heiligkeit zugesprochen wird, wurde ca. 100 n. Chr. von den Rabbinern eingehend verhandelt. Das Buch Prediger wollte man erst aufgrund seiner Skepsis gegenüber dem Leben nicht aufnehmen, da aber am Anfang und am Ende zur Gottesfurcht und zur Ein-haltung der Gebote aufgerufen wurde hat man die Übereinstimmung mit dem Gesetz gehört und das Buch in den Kanon übernommen

    5. Die Auslegung der Schrift
      Die Auslegung der Schrift unterlag bestimmten Regeln die von Hillel zusammengefasst und beschrieben wurden. Zu den Regeln gehört z.B.: der Schluss vom Geringeren auf das Größere, diese Regel wurde angewandt als die Juden vor dem Problem standen ob man am Passahfest, wenn es auf den Sabbat fällt, Opfer geben kann. Hillel meinte wenn man am Sabbat das Sabbatopfer geben darf, dann wird man auch das Passahopfer gaben dürfen, das ja viel wertvoller ist als ein Sabbatopfer. Es wird aber auch aus dem Kontext ausgelegt, wenn eine Situation nicht zu verstehen ist guckt man sich die Kapitel vorher an, und zieht daraus Rückschlüsse warum die Situation gerade so ist. Hillel stellte insgesamt sieben Grundsätze auf die zu beachten sind, diese wurden im zweiten Jahrhundert n. Chr. auf dreizehn Bestimmungen erweitert. Beispiele für die Auslegung findet man auch im neuen Testament, so beweißt Jesus den sadduzäischen Gesprächspartnern aus der Thora das Gott die Toten auferweckt, weil er ein Gott der Lebendigen ist. Das bei der Auslegung auf jeden Buchstaben geachtet wird sieht man bei der Auslegung von „Abraham und seinem Samen“ also Singular damit wird der eine Nachkomme, Christus, gemeint.

  4. Die mündlichen Unterweisungen

    1. Die mündliche Thora
      Die Überlieferung besagt das Mose die mündliche Thora mit der schriftlichen Thora zusammen erhielt, und sie seitdem über Josua, den Ältesten, den Propheten an die Männer der großen Synagoge, die von Esra gegründet wurde, weitergereicht wurde. Die mündliche Thora wurde jeweils gehört und später lückenlos an andere überliefert. Die mündliche Überlieferung wurde exegetisch an der Thora begründet. Die so ausgewiesene Überlieferung stand nicht hinter der schriftlichen zurück da in beiden der übereinstimmende Gotteswille laut wird. Nur die Sadduzäer widersprachen dieser Auffassung, und beriefen sich bloß auf die geschriebene Thora. Die Pharisäer aber, verteidigten die Tradition die sie im hohen Ansehen hielten und sie wurde dann ca. 70 n. Chr. allgemein anerkannt.

    2. Halaka und Haggada
      Die Halaka ist die Weisung zum rechten Wandel nach dem Gesetz und hat den Vorrang vor der Haggada da in der Halaka das Gebot des Gesetzes ausgelegt wird. An der Halaka wurde immer weiter gearbeitet da sich immer neue Fragen stellten die bedacht und beantwortet werden mussten. So wuchs die Halaka und die Fülle wurde bald schwer überschaubar. Anfangs wurde die gesamte Überlieferung mündlich weitergegeben und ein großer Teil des Studiums bestand aus dem Auswendiglernen der Halaka. Die Gemeinde von Qumran fing zuerst damit an, ihre Halaka aufzuschreiben. Um 200 n.Chr. fingen dann auch die Pharisäer an die Halaka zu sammeln, zu sichten und niederzuschreiben. Dies hat lange Zeit gedauert und erst 50 Jahre später war die Mischna als Sammlung der Halaka fertig. Die Haggada umfasst nochmals alle nichthalalkische Schriftauslegung, erbauliche Erzählungen und Ausschmückung sowie die Beschreibung von Inhalten des Glaubens und des Hoffens. Die Haggada erzählt von der endzeitlichen Hoffnung ebenso wie von den Ausschmückungen biblischer Geschichten, denn die Haggada macht aus den Geschichten, die in der Thora nur knapp geschildert werden, großartige Erzählungen.

    3. Die Mischna
      Die Mischna ist die Sammlung der Halaka und wurde ende des zweiten Jahrhunderts n.Chr. herausgegeben. Sie besteht aus 63 Traktaten die in sechs Ordnungen gegliedert wurden. Dabei ist sie nicht streng geordnet sondern man merkt das sie aus der mündlichen Überlieferung stammt. Die erste Ordnung heißt „Saaten“ und handelt von der Landwirtschaft. In der zweite Ordnung werden die Feste Israels behandelt. Der Titel der dritten Ordnung ist „Frauen“ und es wird alles was mit Ehe zu tun hat ttt behandelt. Hierbei wird kein unterschied zwischen dem weltlichen und geistlichem ttt Recht gemacht. Deshalb ist es nicht verwunderlich wenn in der vierten Ordnung „Beschädigungen“ ttt die Fragen des Zivil- und Strafrechts erörtert werden. Die fünfte Ordnung gilt den „heiligen Dingen“ und lehrt den Umgang mit Opfern und ttt deren Darbringung im Tempel. Die sechste Ordnung trägt den Titel „Reinheit“ und lehrt von der Reinheit des Körpers und materieller Güter.

    4. Tosephta
      Neben der Mischna entstand diese Parallelsammlung, die Sätze von Gelehrten aufnahm, die nicht in der Mischna aufgenommen worden waren. Sie stellt trotzdem ein eigenständiges Werk dar da sie Stücke enthält die in der Mischna nicht zu finden sind, oder von der Mischna abweichen. Sie enthält sozusagen Diskussionen aus dem ersten und zweiten Jahrhundert n.Chr. die die Mischna ergänzen, erklären oder sogar widersprechen.

    5. Talmud
      Mit dem Abschluss der Mischna waren aber noch lang nicht alle Fragen geklärt. Vom dritten bis zum fünften Jahrhundert diskutierte man über die ganzen Einzelprobleme. So wurden die Auslegungen in der Halaga noch weiter verfeinert und es entstand ein kaum noch überschaubares Netz an Bestimmungen. Dieser Stoff wurde den Traktaten der Mischna zugeordnet. Um diese vielschichtigen Überlieferungen festzuhalten, entstand ca. 500 n.Chr. der Talmud, der einmal in Jerusalem und, um die 50 Jahre später, einmal in der Gegend Babylons angefertigt wurde. Die babylonische Fassung setzte sich allerdings im ganzen Judentum durch.

  5. Abschluss
    In der rabbinischen Lehre wird die Thora in 613 Einzelsatzungen gegliedert – 248 Gebote und 365 Verbote – und scheint damit kaum übersichtlich. Als man Schammai fragt wie viel Gesetze die Juden haben sagte er: „Zwei, die mündliche und die schriftliche Thora.“ Als Hillel aber mal die gesamte Thora so kurz wie möglich fassen musste, sagte er: „Was dir unlieb ist, tue keinem anderen; das ist die ganze Thora, und das übrige ist die Erklärung.“








Jüdische Schriften (eine Zusammenfassung)

Die heiligen Schriften - die mündlichen Ergänzungen
- Die schriftliche Thora - die mündliche Thora
(fünf Bücher Mose, präexistent, (mit der schriftlichen an Mose sie sind das Gesetz) übergeben)

- Die Nebiim - Halaka
(Propheten, + Geschichtsbücher) (eine Auslegung der münd. + schr.

- Die Ketubim Thora)
(restliche Schriften + Daniel) - Haggada (Sammlung von Anekdoten + Erzählungen)

- Die Mischna
(schriftliche Zusammenfassung der Halaka, in sechs Ordnungen, 2 Jahrh. n.Chr.)

- Tosepha
(schriftlich, enthält Diskussionen Schriftgelehrter des 1,2 Jahrh. n.Chr.)

- Talmud
(schriftlich, Verfeinerung der Auslegung in der Mischna, 5 Jahrh. n.Chr.)


20.02.2002. von Leonhard Reimer


 


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