- in der jüngsten Vergangenheit und heute in Europa
Inhalt:
Die Machtposition der großen Kirchen
Partnerschaft Staat-Kirchen
Rechtswidrige "Identität von Bürger und Christ"
"Positive" und "negative" Religionsfreiheit - eine verfassungswidrige Konstruktion
Verpflichtung des Staates zur Neutralität
Grundsätzliche Trennung von Staat und Kirche
Religions- und Weltanschauungsfreiheit - ein Grundrecht
Freiheitsrechte gegen die Kirchen erstritten
Auszug aus dem Grundgesetz (GG)
1945 - Die Kirchen vorher und nachher
Das Verhältnis der Kirchen zur Weimarer Republik
Offenes Mitläufertum
Kirche und Staat in der DDR, 1949-1989
Literaturnachweise
Die Machtposition der großen Kirchen:
Problematisch ist folgendes Phänomen: einerseits nimmt die Machtposition der beiden christlichen Großkirchen ständig zu, andererseits nimmt ihre Bedeutung für ihre Mitglieder ständig ab. Was die Machtposition der Kirchen betrifft, so sind die durch das Grundgesetz gewährten Privilegien - der Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach im öffentlichen Schulbereich und das Institut der Kirchensteuer - allerdings außer acht zu lassen.
Zunächst ist festzustellen, dass der Religionsunterricht - laut Bundesverfassungsrichter Mahrenholz ein "Fossil alter Zeiten der Nähe von Staat und Kirche" - nicht auf christliche Religionen beschränkt ist und Kirchensteuern sogar von Weltanschauungsgemeinschaften mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erhoben werden können. Jedenfalls handelt es sich um systemwidrige Abweichungen von dem Gebot der Trennung von Staat und Kirche, so dass man nur von einer grundsätzlichen Trennung ausgehen kann. Tatsächlich wirken sich aber diese beiden Privilegien ganz überwiegend zu Gunsten der christlichen Großkirchen aus und stützen ihre Machtposition. Vor allem schafft die Kirchensteuer - mehr als zehn Milliarden DM im Jahr - ihre finanzielle Grundlage, weil sich hier in legaler Weise die Zahl der nominellen Mitglieder auswirkt.
Partnerschaft Staat-Kirchen:
Diese weitgehende Identität von Bürger und Christ wird jedoch von zahlreichen und bedeutenden Vertretern des Staatskirchenrechts für ganz andere Zwecke in Anspruch genommen, um nicht zu sagen missbraucht. Sie leiten daraus nicht nur weit über die erlaubten Privilegien hinausgehende Konsequenzen zu Gunsten der Kirchen ab, sondern sie versuchen, damit eine Grundlage für eine enge Zusammenarbeit von Staat und Kirche, eine Partnerschaft zwischen beiden, auch als positive Trennung von Staat und Kirche bezeichnet, zu schaffen, und zwar mit Verfassungsrang.
Vermutlich hat Professor Mikat, promovierter Theologe und Justitiar der CDU-Bundestagsfraktion, in seinen Ausführungen über das kirchenpolitische System den ersten Beitrag dieser Art geleistet. Bereits 1960 sprach er davon, dass "Staat und Kirche sich jedoch an dieselben Menschen wenden".
Rechtswidrige "Identität von Bürger und Christ":
In dem von Mikat 1980 herausgegebenen Sammelband "Kirche und Staat in der neueren Entwicklung" ist gleich in drei Beiträgen die Identität von Bürger und Christ mit weitreichenden Folgerungen betont worden. Professor Häberle führte zunächst aus:
"Das Wort 'idem civis et christianus' wäre zu modifizieren in 'idem civis et religiosus'." Damit ist gemeint, man möge nicht mehr von der Identität von Bürger und Christ, sondern von der Identität des Bürgers und religiösen Menschen sprechen. Dies ist ein Zugeständnis an die so genannte religiöse Welle. Nun schließt Häberle daraus:
"Der Bürger kann sich für eine religiöse Existenz entscheiden und dementsprechend individuell und (oder) korporativ, privat (oder) öffentlich religiösen Interessen im Gemeinwesen Ausdruck verleihen."
Soweit trifft dies als logische Konsequenz aus der Religions- und Weltanschauungsfreiheit uneingeschränkt zu. Nun zieht Häberle aber folgenden Schluss:
Diesen religiösen Interessen "muss dann religionsrechtliche Leistungsstaatlichkeit gerecht werden".
"Positive" und "negative" Religionsfreiheit - eine verfassungswidrige Konstruktion:
Professor Mikat, hat ursprünglich die Koordinationslehre vertreten, wonach Kirche und Staat gleichrangige Gemeinschaften erster Ordnung seien, so genannte vollkommene Gesellschaften. Damit ist er gescheitert. Nun will er den Einfluss der Kirchen, vornehmlich der katholischen, durch seine religionsrechtlichen Vorstellungen absichern.
Er meint:
"Solange aber religiöse Interessen zu den geistigen Lebensinhalten gehören, zu denen die Bürger sich frei bekennen, bleibt die Schaffung und Gewährleistung gesellschaftlicher Bedingungen für eine Realisierbarkeit religiöser Bedürfnisse eine Aufgabe des politischen Gemeinwesens" - damit ist der Staat gemeint - ,"das durch die Wahrnehmung dieser Aufgabe nicht selber Träger des religiösen Interesses wird, wohl aber als Sachwalter der Freiheit seiner Bürger auftritt."
Die zitierten Äußerungen stehen stellvertretend für die Auffassung der überwiegenden Mehrheit der deutschen Staatsrechtslehrer, die sich mit dem Staatskirchenrecht befassen. Sie befinden sich nämlich vor folgendem Dilemma: Sie können zwar die Verpflichtung des Staates zu weltanschaulich-religiöser Neutralität nicht leugnen. Sie wollen daraus aber nicht die notwendigen Konsequenzen ziehen. So wurde folgender Ausweg konstruiert, und zwar auf Verfassungsebene:
Der Bürger, der als Christ von der unverletzlichen Religionsfreiheit Gebrauch macht, bedarf staatlicher Unterstützung, sowohl wegen des öffentlichen Interesses an der Religionsausübung als auch wegen der Kultur- und Sozialverantwortung des Staates. Zur weiteren Unterstützung wird zwischen negativer und positiver Religionsfreiheit bei der Auslegung von Art. 4 GG unterschieden. Es sei verfehlt, nur die kleine glaubenslose Minderheit in Auswirkung der negativen Religionsfreiheit zu schützen. Der Staat dürfe den Anspruch von 95 % der Bevölkerung auf positive Religionsfreiheit nicht zu Gunsten einer kleinen Minderheit ignorieren. Daraus wird das Recht auf staatliche Religionsförderung abgeleitet.
Verpflichtung des Staates zur Neutralität:
Die Verpflichtung des Staates zu religiöser und weltanschaulicher Neutralität und damit auch das Verbot der Identifikation des Staates mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung ist "primär" im Grundrecht der Religionsfreiheit des Art. 4 GG enthalten.
Grundsätzliche Trennung von Staat und Kirche:
Gesagt werden muss, dass das durch das im Grundgesetz vorgeschriebene System des Verhältnisses von Staat und Kirche in einer grundsätzlichen Trennung besteht, weil sich aus dem Grundgesetz zwei Ausnahmen ergeben. Es gibt einen allgemein anerkannten Grundsatz: Ausnahmen von einer gesetzlichen Regelung sind nicht extensiv, sondern restriktiv auszulegen. Dies muss in besonderem Maße für ein als unverletzlich geltendes Grundrecht wie die Religions- und Weltanschauungsfreiheit gelten. Überdies hat das Bundesverfassungsgericht - auf Grund seiner Zuständigkeit als Hüter der Verfassung bezeichnet - wiederholt erklärt, dass die Berufung auf die Tradition, ja sogar eine "jahrhundertealte Überlieferung" gegenüber einer verfassungsrechtlichen Neuordnung versagt. Es kommt daher auch im Bereich des Staatskirchenrechts weder auf historische Ehrwürdigkeit noch die Wesenserfassung historischer Wesenheiten nach deren Selbstverständnis oder auf die außerordentliche Fruchtbarkeit der geistesgeschichtlichen Methode im Staatskirchenrecht an, sondern auf das Grundgesetz mit seiner verbindlichen Regelung. Dabei hat die Auslegung sich ausschließlich der juristischen Methode zu bedienen, "Theologische, historische und soziologische Reflexionen" haben auszuscheiden.
Religions- und Weltanschauungsfreiheit - ein Grundrecht
Eine noch so weitgehende Identität von Bürger und Christ ist daher ohne jede rechtliche Bedeutung. Und was die Verbindung zwischen dem christlichen Staatsbürger und der positiven Religionsfreiheit betrifft, so handelt es sich um einen Fehlschluss. Seit Freiheitsrechte anerkannt werden, unterscheidet man zwischen negativen Statusrechten, die als liberale Grundrechte eine staatsfreie Sphäre gewährleisten, und positiven Statusrechten, die dem Einzelnen einen Anspruch auf bestimmte Leistungen des Staates gewähren, wie zum Beispiel das Recht auf Arbeit oder Bildung.
Dass es sich aber bei der Religions- und Weltanschauungsfreiheit um ein Grundrecht, d.h. ein Recht des Bürgers gegen den Staat handelt, dass es das Recht eines jeden Menschen auf Freiheit vom Staat ist und den Staat in seiner Macht beschränkt, wie dies vom Bundesverfassungsgericht formuliert worden ist, kann nicht bestritten werden. Wie der Einzelne als Träger dieses Rechts von seiner Freiheit Gebrauch macht, bleibt ihm überlassen. Nach seinem Belieben kann er sich aktiv oder passiv verhalten. Es steht ihm völlig frei, mangels eines Bedürfnisses auf dem Gebiet von Religion oder Weltanschauung abstinent zu bleiben. Entscheidet er sich aber für eine aktive Betätigung, d.h. will er sich in dem staatsfreien Raum, der für Religion und Weltanschauung jedermann offen steht, für eine der zahlreichen Möglichkeiten entscheiden, so spielt es absolut keine Rolle, welche Auswahl er getroffen hat, sei es für eine Religion oder eine Weltanschauung.
Da diese Entscheidung sich in dem staatsfreien Raum vollzieht, der staatlichem Zugriff nicht untersteht, ist es dem Staat auch verwehrt, den religiösen oder weltanschaulichen Entschluss seiner Bürger irgendwie zu bewerten und diesen einer positiven oder negativen Religions- oder Weltanschauungsfreiheit zuzuordnen: denn für den Staat ist die freie Entscheidung ohne jede Bedeutung. (Auf Ausnahmen wie etwa die Ernennung eines Religionslehrers oder Bestellung eines Vormundes für ein religiös gebundenes Kind brauchen wir hier nicht einzugehen). Der Gesichtspunkt, dass um des Bürgers willen, zu seinem Nutzen, der Staat die Kirche fördern darf, entbehrt jeder logischen Begründung. Er widerspricht dem Wesen der Religions- und Weltanschauungsfreiheit als einem liberalen Freiheitsrecht, das jeder Einflussnahme des Staates entzogen ist.
Freiheitsrechte gegen die Kirchen erstritten:
Am 30. Mai 1986 hat Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika sich bei seinem Eintreten für die Menschenrechte auf den Heiligen Geist berufen. Dazu ist festzustellen, dass es nicht dem Heiligen Geist zu verdanken ist, wenn durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinigten Nationen (vom 10. Dezember 1949), durch die Konvention des Europarates zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (vom 3. September 1953) und durch unser Grundgesetz die von ihm angeprangerten Sünden zum großen Teil verdammt worden sind. Dies ist allein dem "Geist der Aufklärung" zu verdanken, der sich für die Menschenwürde eingesetzt und sich gegen die Ausrottung der Ketzer, gegen Hexenprozesse und die von den Kirchen gebilligte Sklaverei gewandt hat, um nur einige markante Beispiele zu nennen. In einem langwierigen Prozess sind die Freiheitsrechte nicht von den Kirchen gegen die Welt, sondern von der Welt gegen die Kirchen erstritten worden. Auch die Religions- und Weltanschauungsfreiheit verdankt ihre Anerkennung ausschließlich dem "Geist der Aufklärung".
Auszug aus dem Grundgesetz (GG):
I.
Religions- und Weltanschauungsfreiheit sind unverletzlich. Ihre ungestörte Ausübung ist allen Bewohnern des Bundesgebiets gewährleistet.
Begründung: s. BVerfGE 24, 236/246
II.
Der Staat ist als Heimstatt aller Bürger ohne Ansehen der Person zu weltanschaulich-religiöser Neutralität verpflichtet.
Staat und Kirche (sämtliche Gemeinschaften, die sich mit Religion oder Weltanschauung befassen) sind daher ausnahmslos getrennt.
Begründung: BVerfGE 19, 206/216 sowie ständige Rechtsprechung (zu Abs. 1)
III.
Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgesellschaften wird gewährleistet. Diese Gesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Rechts. Sie ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze. Sie verleihen insbesondere ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.
Die Ausbildung ihrer Geistlichen geschieht auf eigenen Hochschulen.
1945 - Die Kirchen vorher und nachher:
Versuch einer Bilanz
Fünfzig Jahre nach der Kapitulation Deutschlands im Jahr 1945, fünfundsiebzig Jahre nach der Reorganisation der evangelischen Kirchen in Deutschland, nach Zusammenbruch der Monarchie im Jahr 1919 und einundsiebzig Jahre nach dem Abschluss des ersten Konkordates mit einer demokratischen Regierung in Deutschland nach dem 1. Weltkrieg. Nämlich zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern im Jahre 1924 kann man eine Bilanz ziehen:
Vorgeschichte:
Die kirchenpolitische Lage in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts in Deutschland war durcheinander.
1. Preußen war überwiegend protestantisch. Die protestantischen Kirchen und Kirchenführer standen in der Regel treu zur preußischen Monarchie. Das protestantische Offizierskorps und Beamtenschaft bildete zusammen mit der Pfarrerschaft das Rückgrat dieses Staates.
Die Katholiken waren in Preußen eine gebietsweise starke Minderheit: So in den preußischen Rheinlanden, in Schlesien und im ostpreußischen Ermland. Da den Katholiken wegen ihrer oppositionellen Haltung in der Bismarck-Ära landesverräterisches Verhalten vorgeworfen war, bemühten sie sich, insbesondere während des 1. Weltkrieges, zu zeigen, dass sie loyale Untertanen seien.
2. In den süddeutschen Ländern war die konfessionelle Dominanz unterschiedlich: So regierten in Bayern die katholischen Wittelsbacher, die vor allem in Franken eine starke evangelische Minderheit in ihrem Reich berücksichtigen mussten. Bei den protestantischen Württembergern war es genau umgekehrt, sie mussten - vor allen Dingen in Oberschwaben - auf beträchtliche katholische Volksteile Rücksicht nehmen. Die Situation in Hessen und Baden war konfessionell noch gemischter. Gleichwohl stimmten die kirchlichen Führer aller Konfessionen darin überein, dass sie sich die Ideologie vom Gottesgnadentum ihrer Herrscherhäuser voll zu eigen gemacht hatten.
Ein Hirtenbrief der katholischen Bischöfe des damaligen deutschen Reiches vom 1. November 1917 bezeugt dies: Darin lehnen die Bischöfe nicht nur die Idee von der Volkssouveränität und das "Schlagwort von der Gleichberechtigung aller Stände" kategorisch ab, sondern sie verwahren sich auch gegen einen Frieden "als Judaslohn für Treubruch und Verrat am Kaiser", denn Gott habe "unseren Herrschern von Gottes Gnaden den Herrscherstab in die Hand gelegt".
Die Aussichtslosigkeit der damaligen militärischen und politischen Lage des deutschen Reiches war für die Bischöfe lediglich Anlass, das Volk bzw. die Gläubigen zu noch größeren Anstrengungen aufzufordern, nicht aber Anstoß, über alle Möglichkeiten, das Morden zu beenden, nachzudenken. Sie versicherten stattdessen, das katholische Volk werde alles zurückweisen, was auf einen Angriff gegen die Herrscherhäuser und die monarchische Staatsverfassung hinauslaufe. Im Namen des katholischen Volkes beteuerten sie: "Wir werden stets bereit sein, wie den Altar so auch den Thron zu schützen gegen innere und äußere Feinde, gegen die Mächte des Umsturzes."
Als die Situation noch ernster, und die Friedenssehnsucht immer größer werdender Kreise des Volkes unübersehbar geworden war, warben die staatlichen Behörden um Einsatz des evangelischen und katholischen Klerus zur Eindämmung des "Pessimismus". Dem entsprachen die Hierarchen "als selbstverständliche nationale Pflicht", damit überall die Kampfbereitschaft "durch das autoritative Wort von der Kanzel ergänzt und unterstützt wird."
Die Tatsache solch kriegsbegeisterter Hilfe wird dadurch nicht besser, wenn wir wissen, dass dieser Systemerhaltende Beistand von Seiten der Amtskirchen nicht auf Deutschland beschränkt war, sondern von der französischen Kirche dem französischen Staat ebenso gewährt wurde wie von der italienischen der dortigen Monarchie. Die nationale Kampfbereitschaft war weder national- noch konfessionsgebunden oder schichtspezifisch. Selbst die pazifistische Internationale der Arbeiterschaft war bekanntlich angesichts der allgemeinen nationalistischen Kriegsbegeisterung zu Beginn des Ersten Weltkriegs zerfallen. (Zu ihrer Entschuldigung wird von kirchlicher Seite angeführt, die dortigen Zeugnisse seien eben dem Zeitgeist geschuldet: Allenthalben dachte, schrieb und redete "man" so! Das trifft leider zu, zeigt aber nur, dass die Kirche(n) eben keine größere oder gar vom Geist geführte Weisheit besitzen; sie sind genauso verführbar, wie andere auch. Im Gegenteil: Sie helfen die Menschen unter Verweis auf eben diesen Gott ins Unheil zu führen!)
Erst mit dem Wachsen der Kriegsnöte wurden die Arbeiter und ihre politischen Führer wieder zu - behutsamen - Mahnern zum Frieden. Das kann allerdings von den Führern der Kirche nicht behauptet werden. Darum wäre es verfehlt, den Kirchen und ihren Führern eine besondere Friedensliebe andichten zu wollen.
Im Gegenteil: Angesichts der kriegspolitischen Notlage der Regierung forderten die deutschen katholischen Bischöfe - die evangelischen in ähnlicher Weise - die staatliche Obrigkeit auf, endlich "jene entartete Kunst und Literatur in Schranken" zu weisen, die "in gemeingefährlicher Weise ihr Spiel und ihren Spott treibt mit dem, was die erste Lebensquelle und Lebenskraft des Staates ist..." Vor allem habe der Staat dafür zu sorgen, dass die religiöse Unterweisung der Kinder, das natürliche Recht der Eltern und das göttliche Recht der Kirche, nicht nur an staatlichen Schulen unangetastet bleibe, sondern auch auf die höheren Schulen und Universitäten ausgedehnt werde.
Die militärisch-politische Notlage des Staates wird also benutzt, um den eigenen Einfluss auszudehnen und unerwünschte Äußerungen zu unterbinden. Die Kirchen, eigentlich vom Staat gerufen, ihre Autorität einzusetzen um die seine zu stabilisieren, verlangen den Einsatz seiner Machtmittel, um ihre Position zu festigen.
Doch diese symbiotische Kooperation vermochte den Untergang der Monarchie in Deutschland nicht aufzuhalten. Bestürzend ist es jedoch zu lesen, wie der erste Hirtenbrief der deutschen Bischöfe nach dem Ende des Ersten Weltkrieges - vom 22.8.1919 - vor allem die Einführung der "religionsfreien, gottlosen Volksschule", die der Anfang eines Kulturkampfes sei, der das Schicksal des deutschen Volkes besiegeln werde, beklagt. Die Millionen sinnlos geopferter Menschen, die Krüppel, Witwen und Waisen werden nur am Rande erwähnt und in einer Weise, als hätten die Kirchen damit nichts zu tun und seien ihre Warnungen überhört worden! Die Trennung von Staat und Kirche sei - so verkünden die Bischöfe - das Szenarium, in dem der Untergang Deutschlands sich abspielen werde. Unberührt durch das millionenfache Leid, fürchten die Bischöfe an erster Stelle, durch die Trennung von Kirche und Staat könnten das Kirchenvermögen angetastet und die Staatssubventionen an die Kirche eingestellt werden. Der bayerische Episkopat prangert die Aufhebung der geistlichen Schulaufsicht und die Beseitigung der konfessionellen Lehrerbildung an.
Nach dem Zusammenbruch des Reiches in der Kapitulation ist dieser formale und dabei schwülstige Hirtenbrief, der mögliche materielle Einbußen der Kirche mehr beklagt als die Verluste an Menschenleben und die verlorene Gesundheit und den Hunger vieler Familien, ein Zeugnis geradezu unmenschlicher Gefühlskälte! - Die Frage, ob und in wieweit die Bischöfe durch ihre "ermunternden" Hirtenbriefe zur Fortsetzung des Krieges, auch dann noch, als seine Sinnlosigkeit bereits absehbar war, zu dem Unglück beigetragen haben, wird nicht gestellt. Sie liegt offensichtlich außerhalb des bischöflichen Vermögens zur Selbstkritik!
Das katholische Schulwesen, das der Bischof von Rottenburg in seinem Hirtenbrief "in Todesnot" wähnt, wird ebenso wie die christliche Ehe bis in die 60er Jahre unseres Jahrhunderts das beherrschende Thema bischöflicher Verlautbarungen und kirchenpolitischer Aktivitäten bleiben.
Die republikanischen Ideen von der Freiheit und Gleichheit aller Menschen und Stände mit dem Recht aller, ihre jeweilige Meinung frei zu äußern, bedrohte nach Meinung der deutschen Bischöfe nicht nur den katholischen Glauben, sondern das gesamte Volk zutiefst (Hirtenwort vom 23.10.1920, Amtsblatt Rottenburg 10, 1920-22, 82-84). Darum werteten sie die Revolution als "Stunde und Macht der Finsternis". Seither entfalte das Laster immer frecher "seine schmachbedeckte Fahne" und begeifere die "reine Sitte, die Heiligkeit der Ehe und das Heiligtum der Familie". Die Bischöfe rufen die katholischen Vereine, insbesondere die der Männer auf, "wie geschlossene Heerscharen" den Kampf um das bedrohte Lebensgut der Nation zu führen; sie sollen als "zuverlässige und ehrenamtliche Sittenpolizei" gegen die "schlimmsten Auswüchse der öffentlichen Unsittlichkeit" einschreiten. Das bedeutete nichts anderes, als die Zündschnur bereitzulegen, für das, was dreizehn Jahre später geschehen sollte: Die Schlägertrupps der SA und SS taten dann das, was die Bischöfe wünschten.
Das Verhältnis der Kirchen zur Weimarer Republik:
Was der Leser von heute in jenen geistlichen Verlautbarungen vermisst, ist jedes kritische Wort über die Ursache aller Not, den Krieg, man vermisst eine religiöse Mahnung und hilfreiche Erinnerung an die Menschen in Not und Verzweiflung, man sucht vergeblich nach Reue, die zu geistlichem Trost führen könnte.
Hatte es den evangelischen Kirchen, der die geistliche Häupter, die Fürsten, über Nacht abhanden gekommen waren, die Sprache verschlagen, da sie erst ihre inneren Angelegenheiten ordnen mussten. So zeigte die Römische Kurie und der katholische Episkopat der jungen Republik weder Entgegenkommen noch Wohlwollen, ja nicht einmal Respekt, den sie sonst stets für die Obrigkeit angemahnt hatten und den sie - nach der Machtergreifung der Nazis - wiederum anmahnen werden. So wurde beispielsweise ein von der Reichsregierung erbetener empfehlender Hinweis auf den Verfassungstag (11. August) mit dem Bemerken abgelehnt, "das Ansinnen, der bestehenden Verfassung die Treue zu halten", sei nicht akzeptabel.
Anlässlich der Überführung des toten bayerischen Königspaares nach München im Jahre 1921 erteilte Kardinal Faulhaber der jungen Republik und ihrer Idee der Volkssouveränität eine eindeutige Absage, indem er feststellte: "Könige von Volkes Gnaden" seien "keine Gnade für das Volk", vielmehr werde, "wo das Volk sein eigener König ist .... es über kurz oder lang auch sein eigener Totengräber".
Noch deutlicher wurde er in seiner Ablehnung des demokratischen Staatswesens auf dem Katholikentag in München 1922. Hier sagte er: "Die Revolution war Meineid und Hochverrat, bleibt in der Geschichte erblich belastet und mit dem Kainsmal gezeichnet. Auch wenn der Umsturz ein paar Erfolge brachte, wenn er den Bekennern des katholischen Glaubens den Weg zu höheren Ämtern weit mehr als früher erschloss - ein sittlicher Charakter wertet nicht nach den Erfolgen, eine Untat darf nicht der Erfolge wegen heilig gesprochen werden". Da half es wenig, wenn Konrad Adenauer, damals Präsident des Katholikentages, in seiner Schlussansprache feststellte, dass hinter dieser staatspolitischen Wertung des Erzbischofs von München "die Gesamtheit der deutschen Katholiken nicht stehe". Damit konnte er den Schaden nicht heilen, den das Kardinalswort bei vielen angerichtet hatte.
Der deutsche Episkopat hatte in den Jahren vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten diese Bewegung wiederholt wegen ihrer kirchenfeindlichen Haltung verurteilt. Die Verfassungsfeindlichkeit, die Menschenverachtung, der Judenhass und die Brutalität dieser Bewegung waren den Bischöfen der Rede nicht wert. Als am 30. September 1930 das Ordinariat von Mainz - nicht der Mainzer Bischof - gegen den Nationalsozialismus eindeutig Stellung bezog und jedem Mitglied dieser Partei die Zulassung zu den Sakramenten verweigerte, wurde diese zwar eindeutige, nach den damaligen allgemeinen Pastoralgrundsätzen jedoch zu wenig differenzierende Stellungnahme von vielen Mitgliedern des Episkopats als "unhaltbar und noch mehr "praktisch undurchführbar" bezeichnet.
Offenes Mitläufertum:
Statt gegen die völkerrechtswidrige Annexion ihres Landes zu protestieren, lobhudelten die österreichischen katholischen Bischöfe am 18. März 1938, als ob es diese Enzyklika nicht gegeben hätte. Sie "erkennen freudig an", "dass die nationalsozialistische Bewegung auf dem Gebiet des völkischen und wirtschaftlichen Aufbaus sowie der Sozialpolitik für das Deutsche Reich und Volk und namentlich für die ärmsten Schichten des Volkes Hervorragendes geleistet hat und leistet. Wir sind auch der Überzeugung, dass durch das Wirken der nationalsozialistischen Bewegung die Gefahr des alles zerstörenden gottlosen Bolschewismus abgewehrt wurde. Die Bischöfe begleiten dieses Wirken für die Zukunft mit ihren besten Segenswünschen und werden auch die Gläubigen in diesem Sinn ermahnen. ..."
Es wäre schlimm genug, wenn dieser Text aller österreichischer Bischöfe als förmliche Stellungnahme dem Aggressor grußlos zugeleitet worden wäre. Doch Kardinal Innitzer leitete diese Erklärung mit einem unterwürfigen Begleitschreiben an den Gauleiter Fritz Bürckel, in dem er ausführte:
"Sie ersehen daraus, dass wir Bischöfe freiwillig und ohne Zwang unsere Nationalpflicht erfüllt haben. Ich weiß, dass dieser Erklärung eine gute Zusammenarbeit folgen wird.
Mit ausgezeichneter Hochachtung und Heil Hitler.
Dieser Text macht - wie fast alle bischöflichen Verlautbarungen jener Jahre - deutlich, dass es den Hierarchen allein um die Erhaltung ihres Einflusses und den Bestand ihrer Institution ging. Das wird besonders deutlich durch die von Innitzer am 6.4.1938 nachgeschobene Relativierung ihrer Erklärung vom März:
Die Bischöfe verwahren sich nun gegen die Verletzung der Gesetze Gottes, der Freiheit und der Rechte der Kirche. Sie verlangen Einhaltung des Konkordats, das Recht der religiösen Erziehung der Jugend, Verbot kirchenfeindlicher Propaganda sowie die Achtung des Rechtes der Katholiken ihren Glauben und die christlichen Grundsätze zu verkünden und zu verwirklichen.
Für die Menschen, die gewohnt waren, ihren Bischöfen zu glauben, wurden sie zu Führern in den Tod, in das nationale und weltweite Unglück. Es ging den Hierarchen nicht um die Menschen, es ging nicht um Recht und Unrecht, es ging allein um ihre eigene Position, um die Stellung und den Erhalt ihrer Institution!
Das wird geradezu unwiderlegbar deutlich, wenn man liest, mit welchen Worten Kardinal Bertram im April 1940 Hitler zum 51. Geburtstag in kritikloser Untertänigkeit gratuliert. Bereits damals waren viele Katholiken sprachlos ob dieser geistlichen Anmaßung.
Bertram schrieb:
"Der Rückblick auf die unvergleichlich großen Erfolge und Ereignisse der letzten Jahre und der tiefe Ernst der über uns gekommenen Kriegszeit gibt mir als Vorsitzendem der Fuldaer Bischofskonferenz besonderen Anlass, namens der Oberhirten aller Diözesen Deutschlands Ihnen zum Geburtstag die herzlichsten Glückwünsche darzubringen. Es geschieht das im Verein mit den heißen Gebeten, die die Katholiken Deutschlands am 20. April an den Altären für Volk, Heer und Vaterland, für Staat und Führer zum Himmel senden. Es geschieht in tiefem Bewusstsein der ebenso vaterländischen wie religiösen Pflicht der Treue zum jetzigen Staate und seiner regierenden Obrigkeit im Vollsinne des göttlichen Gebotes, das der Heiland selbst und in seinem Namen der Völkerapostel verkündet hat. Es geschieht unter Protest gegen die von christentumsfeindlichen Kreisen und versteckt verbreitete Verdächtigung, als sei unser Treuebekenntnis nicht voll zuverlässig.
Der Bischof von Berlin, Konrad Graf von Preysing, war über diese entwürdigende, aus freien Stücken geleistete Gratulation so entsetzt, dass er das Pressereferat der Bischofskonferenz sofort niederlegte und außerdem sein Bischofsamt zur Verfügung stellen wollte.
Nicht viel besser steht der Münchner Kardinal Faulhaber da, obwohl er immer wieder als einer der großen Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus hingestellt wird. Gewiss, Faulhaber hat immer dann, wenn die Nationalsozialisten in unmittelbare kirchliche Interessen eingriffen, sehr deutliche und scharfe Worte gefunden. Dabei hat er jedoch stets den Führer, für den er eine ausgesprochene Sympathie empfand, von seinen Kritiken ausgenommen.
Zum Dank für die Errettung Hitlers bei dem Attentat am 9. November 1939 ließ Faulhaber in der Münchener Frauenkirche den Hymnus "Großer Gott wir loben dich" singen. Als er nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 von der Gestapo verhört wurde, weil man ihn als Mitwisser verdächtigte, gab der Erzbischof zu Protokoll:
"Ich bin erschüttert, weil ich als Bischof das Verbrechen eines Mordplanes und vollends eines Planes gegen das Staatsoberhaupt vor aller Welt verdammen und brandmarken muss." In dem gleichen Protokoll bezeichnete der den Putschversuch "einen solchen Wahnsinn, der unser Volk in das furchtbarste Chaos gestürzt und den Bolschewismus in radikalster Form zum Siege geführt hätte" und er vergaß nicht zu erwähnen, dass er sich "persönlich die Verehrung zum Führer seit der langen Aussprache am 4. November 1936" bewahrt habe
Damit hat er jedes Mal, da sich Widerstand in Deutschland regte, diesen schnöde verraten! Er beging diesen Verrat zu Gunsten eines Massenmörders und einer verbrecherischen Clique offenbar, weil er sich von ihnen noch immer Vorteile für die Kirche erhoffte.
Auch im Zusammenhang mit den zigtausendfachen Morden zur "Ausmerzung lebensunwerten Lebens" protestierten die Bischöfe zunächst nur in förmlichen Schreiben an die jeweils zuständigen Reichs- und Landesbehörden. Am 12. Juli 1941 endlich, - also fast zwei Jahre nach Beginn der Aktion - schickten die Bischöfe eine Denkschrift an die Reichsregierung. Alles das geschah jedoch unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das katholische Volk erfuhr von alledem nichts und sollte nichts erfahren! Erst im Spätsommer 1941 deckte Bischof von Galen in Münster die Mordtaten in den Heil- und Pflegeanstalten der Provinz Westfalen auf. Gleichzeitig erstattete er Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft in Münster. Und dennoch, so sehr man die Unerschrockenheit dieses Bischofs loben und bewundern muss, ist doch zu fragen, warum der Bischof - oder besser alle gemeinsam - nicht schon früher öffentlich protestiert haben. Vielleicht hätten doch einige tausend Menschen gerettet werden können. So aber war die große Mordaktion fast am Ziel, als sie von Hitler mit einem Schlag gestoppt wurde. Zwar gingen die Morde in kleinen Kreisen weiter, doch zeigt der förmliche Stopp durch Hitler selbst, dass öffentliche Proteste durchaus etwas zu bewirken vermochten. Als die Juden dann zu Hunderttausenden in den Holocaust getrieben wurden, hörte man kein lautes Wort. Höchstens Protest, dass auch getaufte Juden umgebracht wurden.
Wer damals als Politiker, als Priester oder Ordensmensch, als einfache Gläubige, oder gar nur als schlichte Deutsche, Widerstand gegen das verbrecherische Regime leisteten, erhielt von der offiziellen Kirche keine Rückendeckung; er wurde möglicherweise sogar des Verrats bezichtigt (s.o.)!
Konrad Adenauer hat in einer leider zu wenig bekannten Feststellung vom 23. Februar 1946 an den Bonner Pastor Dr. Bernhard Custodis ein ebenso klares wie hartes Urteil über das Verhalten der Kirchen gefällt. Er sagte am Schluss seiner längeren Ausführungen: "Ich glaube, wenn die Bischöfe alle miteinander an einem bestimmten Tag öffentlich von den Kanzeln aus dagegen Stellung genommen hätten, sie vieles hätten verhüten können. Das ist nicht geschehen und dafür gibt es keine Entschuldigung. Wenn die Bischöfe dadurch ins Gefängnis und ins Konzentrationslager gekommen wären, so wäre das kein Schaden, im Gegenteil. Alles das ist nicht geschehen und darum schweigt man am besten." Und er führt weiter aus, wenn man wenigstens auch beim katholischen Sonntagsgottesdienst, wie in der Bekennenden Kirche, die Namen der abgesetzten, vertriebenen, verhafteten, mit Predigt- und Religionsunterrichtsverbot belegten Priester stellvertretend für Hunderttausende in ähnlichen Situationen verlesen hätte. Die Liturgie darf - so meinte er - auch eine Stätte lauten Protestes gegen Terror und Lüge sein. Auf diese Weise hätten ahnungslose Gläubige in eine heilsame Unruhe versetzt und zu Rettungsversuchen für jene, "die in Finsternis und Todesschatten sitzen", ermuntert werden können. Alles das ist nicht geschehen, schrieb Adenauer, und deshalb sollte man am besten schweigen.
Man kann dieser Meinung sein, doch dann sollte man das kollaborierende Schweigen der kirchlichen Institutionen in jener schrecklichen Zeit heute nicht noch als "Widerstand" ausgeben und damit das tatsächliche Verhalten verfälschen. Denn der aus den letzten Kriegsjahren stammende Eindruck eines eindeutigen Gegensatzes zwischen Kirchen und Nationalsozialismus, wird sorgsam gepflegt. Erst als die Nazis der militärischen Niederlage entgegen gingen und sie ihre innenpolitischen Gegner und wehrlosen Opfer und Gefangenen vernichteten, wechselten die Kirchen die Fronten. Sie protestierten hier und da, zwar nicht laut und stark, aber immerhin!
Hatten sie sich im Nationalsozialismus vor allem unter strategisch-taktischen Gesichtspunkten zu arrangieren versucht, wobei jeder unumgänglich gewordene Protest schlussendlich - bis zuletzt - stets in ein Bekenntnis zu Hitler und seinen Staat mündete. So haben die Kirchen auch nach 1945 alles daran gesetzt, jede Andeutung von Mitschuld und Mitverantwortung weit von sich zu weisen und jeder sachlichen Dokumentation - es gibt deren eine große Anzahl - Wert, Gewicht und ehrliches Bemühen um Kenntnis der Wahrheit pauschal abzusprechen und als Kirchenfeindschaft auszulegen, was der Wahrheitsfindung dient. "Einzelne Christen haben ihr Leben gewagt und verwirkt, in dem sie Opfer Hitlers retteten, aber - bei den Kirchen ist die Linie geblieben wie sie war, unterbrochen weder durch ausreichende Schuldbekenntnisse noch durch gemeinsamen Willen zur Wiedergutmachung oder Reue". - Man kann diesen Worten des anglikanischen Geistlichen James Parkes nichts hinzufügen.
Kirche und Staat in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 1949-1989:
Die evangelischen Kirchen in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) spielen eine wichtige Rolle. Die DDR war ein kommunistisches Regime mit einer größtenteils evangelischen Bevölkerung. Das Regime gewährte der Kirche als Institution Legitimität. Die Kirche gewährte dem Regime als politischer Gemeinschaft ebenfalls eine Legitimität und sie akzeptierte den Sozialismus als politisches Umfeld.
In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg verfolgte das Regime eine relativ milde Kirchenpolitik. Das war eine Schonzeit im Kirche-Staat-Verhältnis. Nach der Gründung der DDR 1949 setzte sich der DDR-Staat allerdings ein neues Ziel. Die Gesellschaft und Wirtschaft sollten nach stalinistischem Vorbild umgestaltet werden. Das führte zu verstärkten ideologischen und politischen Auseinandersetzungen mit der Kirche.
Nach 1958 änderte sich das jedoch. Das Regime versuchte, sich durch die Politik der Abgrenzung von Westdeutschland eine größere Legitimität zu verschaffen. In den sechziger Jahren übte der Staat immer stärkeren Druck auf die engen Beziehungen der Kirche zu Westdeutschland aus, insbesondere zur Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Im Jahre 1969 trennten die Kirchen sich formal von der Evangelischen Kirche in Deutschland. Sie gründeten den Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR, kurz auch Kirchenbund genannt. Der Kirchenbund wurde zunächst vom Staat nicht anerkannt, weil er zu den westdeutschen Kirchen noch zu viele Beziehungen unterhielt.
Im Jahre 1971 änderte der Staat seine Taktik und bezog den Kirchenbund stärker in seine Politik mit ein. Er erkannte den Kirchenbund offiziell an. Er förderte die internationalen Aktivitäten der Kirchen und versprach, dass nun im Hinblick auf die verschiedensten Probleme pragmatische Vereinbarungen getroffen werden könnten. Die Kirchen selbst verstanden sich immer mehr als "Kirche im Sozialismus". Trotzdem erschwerten die Konflikte im Bereich der Innenpolitik - wie z.B. die Behandlung der einzelnen Christen, die institutionellen Interessen der Kirche und die gesellschaftspolitischen Probleme - weiterhin die Annäherung von Staat und Kirche.
Mit einem Spitzengespräch zwischen Erich Honecker und dem Vorstand des Kirchenbundes am 6. März 1978 wurde eine neue Phase in der Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat eingeleitet. Für den einzelnen Christen änderte sich nur wenig, denn die meisten Vereinbarungen betrafen die institutionellen Interessen der Kirche, wie z.B. die Bereitstellung logistischer Dienstleistungen für die Kirchentage, Sendezeiten in Funk und Fernsehen, staatliche Zuschüsse für Renten kirchlicher Mitarbeiter und Zugang zu den Gefängnissen. Die Diskriminierung der Christen ließ ein wenig nach.
In den achtziger Jahren wurde dieses neue Kirche-Staat-Verhältnis durch den politischen Dissens und die Unzufriedenheit sowohl herausgefordert als auch bestätigt. Es entstanden unabhängige Bewegungen, die sich zu solchen Themen wie "Frieden", "Militarisierung" und "Umwelt" äußerten. Die Kirche bot sich als der Ort an, an dem sich diese Andersdenkenden Gehör verschaffen konnten. Sie nahm aber auch auf diese Meinungsäußerungen Einfluss. Nun äußerte sich die Kirche gegenüber dem Regime immer kritischer. Unter den Schutz der Kirche hatte die Protestwelle freie Bahn. Im Herbst 1989 kam es dann zum dramatischen Sturz des SED-Regimes.
Literaturnachweise:
· Abitur Wissen Religion - "Die Frage nach dem Menschen" und
· Abitur Wissen Religion - "Religion und Weltanschauungen" im Stark-Verlag
· "Die Politische Meinung" - Monatsschrift zu Zeitfragen
· Kirche und Staat in der neueren Entwicklung - Mikat 1980
· Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
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